Es kracht. Es staubt. Hier liegen Kupferrohre, da stapeln sich Metallteile, von der Decke hängen Kabel. Inmitten davon kniet Emanuel Dietrichstein, grinsend erklärt er: "Bodenlegen hat etwas Beruhigendes. Außerdem ist es ziemlich abwechslungsreich, auch wenn es vielleicht nicht so wirkt." Er muss es wissen, schließlich ist er Staatsmeister im Bodenlegen.

Was auf den ersten Blick wie eine normale Baustelle wirkt, entpuppt sich auf den zweiten als eine recht besondere. In der Ebene 8 des Universitätsklinikums AKH Wien entsteht gerade eine neue Angiografie-Station, und schon bald werden hier Stents in Patientenherzen gesetzt. "Die Anforderungen für einen Boden im Krankenhaus sind allein schon wegen der Hygiene ganz anders als etwa in einem Hotel", erklärt Dietrichstein.

Emanuel Dietrichsteinhat bei der Vamed-KMB seine Ausbildung gemacht und ist mittlerweile Staatsmeister im Bodenlegen.
Lea Sonderegger

Alles in Eigenregie

Er ist einer von 25 Bodenlegern, die beim Krankenhausbetreiber Vamed-KMB angestellt sind und auch dort ihre Ausbildung gemacht haben. Leute wie Dietrichstein sind am Markt kaum noch zu finden, auch ein Grund, warum man bei der Vamed-KMB so ziemlich alles in Eigenregie macht. Insgesamt gibt es 18 Lehrberufe bei der AKH-Betreibergesellschaft sowie 36 Instandhaltungs- und Bauabteilungen.

Die braucht es auch. Ein Tag ohne Baustelle im größten Krankenhaus des Landes ist nicht denkbar, momentan wird an rund 180 verschiedenen Orten gewerkt. So viele Baustellen sind mit viel logistischem Aufwand verbunden, schließlich darf der Krankenhausbetrieb nicht gestört werden, und selbstredend kommt in so einem Umfeld auch die Bürokratie nicht zu kurz.

Die eigene AKH-Norm

Zurück zur Angiografie-Baustelle. Eine weitere der vielen Besonderheiten aus dem Mikrokosmos AKH bekommt man hier zu sehen. Es werden nicht etwa Gipskarton- oder Betonwände aufgezogen, es gibt Wandelemente, die sich wieder abbauen und woanders neu montieren lassen. "Diese Wandteile werden in ‚AKH-Norm‘ gebaut", erzählt ein Schlosser. "Dieses System gibt es sonst nirgends, macht aber flexibel. Will man eine Wand versetzen, ist es ein bisschen wie Lego bauen." Habe man die "Norm" einmal verstanden, sei sie ziemlich praktisch.

Die eigens entwickelte "AKH-Norm" für Wandelemente sei anfangs kompliziert zu verstehen, für das Versetzen von Wänden aber sehr praktisch, heißt es beim Personal.
Lea Sonderegger

Die zwei Bettenhaustürme des AKH am Wiener Gürtel sind unverwechselbar, wie den Stephansdom oder das Riesenrad im Prater erkennt man sie bereits vom Flugzeug aus. 27.000 Räume verteilen sich auf 37 Gebäude und 250 Stockwerke, das braucht eine spezielle Infrastruktur im Hintergrund.

So gibt es etwa ein circa 20 Kilometer langes Schienennetz, auf dem Laborproben und Werkzeuge durch den ganzen Komplex geschickt werden. Für Küche und Speisentransport verlaufen wiederum eigene Schienen, auf denen wie von Geisterhand zigtausende Essen ausgeliefert werden, und überall verläuft eine unüberschaubare Anzahl an Leitungen.

Organisation einer Kleinstadt

"Im Prinzip organisieren wir hier eine Kleinstadt", sagt Christian Krebs. Er ist Geschäftsführer jener Vamed-Tochtergesellschaft, die für das Krankenhausmanagement zuständig ist. Zwar bringe die Größe viele Komplexitäten mit sich – aber auch Möglichkeiten: "Wir haben ein staatlich akkreditiertes Prüfzentrum, sozusagen unseren eigenen TÜV für Prüfung und Kontrollen von Medizintechnik. Es wäre zu aufwendig, alles auszulagern", sagt Krebs. "Teilweise machen wir Dinge für andere Krankenhäuser gleich mit."

Ein Beispiel für die Menge sind Klimaanlagen: Im AKH sind 1900 davon verbaut. In der sogenannten Kältezentrale kann Kälte mit einer Leistung von rund 420.000 Kühlschränken produziert werden. "Wir wären ungeschickt, wenn wir die nicht selbst warten."

Rund 180 Baustellen gibt es momentan im AKH Wien, ein Tag wo nirgends gewerkt wird, ist nicht einmal theoretisch denkbar.
Lea Sonderegger

Es herrscht ein komplexer Tagesbetrieb, an dem soll sich auch demnächst nichts ändern, selbst wenn Vamed-KMB neue Eigentümer bekommt. Ein Konsortium der Baukonzerne Porr und Strabag übernimmt das Vamed-Kerngeschäft in Österreich für 90 Millionen Euro.

Fachkräftemangel

Wie sieht es mit Fachkräftemangel aus? Unter dem leide man natürlich, sagt Krebs. Man bewerbe die Jobs sehr aktiv in Berufsschulen, auf Messen oder bei AMS-Kursen. Auch ein Bonussystem gibt es, wer neues Personal anwirbt, bekommt eine Belohnung wie einen Thermenaufenthalt oder Ähnliches.

Seit 20 Jahren arbeitet Christian Krebs bei der Vamed-KMB. Er holt Leute aus der Pension zurück, um junges Personal auf die alten Gerätschaften im AKH einzuschulen. Fotos: Lea Sonderegger
Lea Sonderegger

Es braucht einen guten Mix aus Jung und Alt. Im AKH sind mitunter Teile und Technologien aus den 1960er-Jahren verbaut, und die werden kombiniert mit modernen Anlagen. "Wir reaktivieren Leute aus der Pension, um das neue Personal zu schulen. Bei uns sind Dinge im Einsatz, die auch Absolventen oder Professoren von technischen Hochschulen in dieser Form noch nie gesehen haben", meint Krebs.

Neue alte Dinge

Mit dieser Besonderheit ist auch Andreas Kamellor täglich konfrontiert. Er arbeitet in der Maschinenschlosserei und baut Dinge, die es am Markt nicht mehr gibt. "Oft geht es um Ersatzteile für Pumpen oder Maschinenaggregate. Vieles lässt sich reparieren, oder wir behalten Vorlagen, damit wir die Teile nachbauen können", sagt er und widmet sich wieder einer Wolframnadel für eine spezielle Schweißanlage.

In der technischen Leitwarte in der Energiezentrale werden 100.000 Signalpunkte der AKH-Haustechnik kontrolliert.
Lea Sonderegger

Doch egal, mit wem man im AKH "hinter den Kulissen" spricht, über alte Bauteile, langsame Liftanlagen, Logistik oder sonstige Eigenheiten. Für all das wirkt man gewappnet. Doch für eine Hürde braucht es Zeit und Erfahrung: "Sich zurechtzufinden." Unisono sagen alle, es dauere oft Monate, bis sich neue Mitarbeiter wirklich orientieren können. Deswegen wird neues Personal am Anfang stets begleitet. Zum einen, um die Leute bei ihren Aufgaben zu unterstützen, aber vor allem, um diese überhaupt zu finden. (Andreas Danzer, 15.5.2024)