Die Pet Shop Boys veröffentlichen ihr 15. Album. Nicht alles darauf ist Gold, aber fast alles glänzt.
Die Pet Shop Boys veröffentlichen ihr 15. Album. Nicht alles darauf ist Gold, aber fast alles glänzt.
Alasdair McLellan

Betrachtet man die Songtitel, spannen diese einen schönen Bogen. Das neue Album der Pet Shop Boys beginnt mit einem Lied zum Thema Loneliness und endet mit dem Titel Love Is the Law. Von der Einsamkeit zur Liebe – ewige Themen. Wobei es festzuhalten gilt, dass die Vertonung der Einsamkeit besser gelungen ist.

Loneliness ist einer dieser immergrünen Synthie-Pop-Songs, wie sie das britische Duo Neil Tennant (69) und Chris Low (64) seit den frühen 1980ern aus dem Ärmel schüttelt. Eine für die Disco taugliche Wumme, der die Melancholie auf eine Art eingeschrieben ist, wie es in dem Fach nur die Großen schaffen. New Order konnten das zu ihrer besten Zeit seriell, Depeche Mode und eben die beiden Boys. Und etliche andere auch, das Genre ist üppig bestellt.

Pet Shop Boys

Am Freitag erscheint Nonetheless, es ist das 15. Studioalbum der britischen Band und widmet sich großen Gefühlen, individuellen Ängsten, der Politik, Ungerechtigkeiten, Sauerkraut und der Schlagerhitparade. Schlager Hit Parade heißt ein Lied auf dem Album, und Tennant singt darin – es ist nicht ganz verständlich – von "Burenwurst (?) and Sauerkraut". Es kann auch ein anderes Würstel sein.

Eine Schicht Pathos

Das Lied ist nicht ihr bestes, aber selbst in diesem exzentrischen Kleinod stellen sie ihr Gefühl für Melodien unter Beweis, gepaart mit einer Hymnenhaftigkeit, die stets eine Schicht Pathos aufträgt. Gerade so viel, dass es dem Publikum einfährt, aber nicht zu kitschig wird. Dazu verwenden sie in allen zehn Songs ein Orchester, das eine verhaltene Opulenz garantiert.

Nonetheless beginnt mit einem Gang in die Disco und endet mit dem nachdenklichen, betrübt wirkenden Love Is The Law. Da ist das Statement spürbar wichtiger als der Song. Das Tempo ist down, der Blick auf die Welt war schon optimistischer.

Die acht Songs dazwischen bilden ein emotionales Wechselspiel ab. Da gibt es das nach britischem Landadel klingende Why Am I Dancing? – das drollig mit Hörnern anfängt, dann aber in die Lodendisco biegt. Bullet for Narcissus lässt sich unschwer in Richtung Donald Trumps und ähnlich agierender Rattenfänger deuten. New London Boy ist selbstreflektiv und legt die Stirn in Falten, ein Titel wie Dancing Star ist Name wie Zeichen.

Pet Shop Boys

Natürlich ziehen sich queere Standpunkte durch die Songs, anders als bei vielen anderen haben die Pet Shop Boys aber eine hörbare Musik als Trägermedium und nicht bloß Haltung und Beschwerde im Gepäck. Das hilft beträchtlich, will man eine Botschaft unter die Leute bringen.

Dass die PSB das können, verdeutlichen über 50 Millionen verkaufte Alben, über 40 Top-30-Singles und Hits wie It's a Sin oder West End Girls. Ihre Konzerte sind seit vielen Jahren ausufernde Best-of-Sets, so viele Hits haben sie produziert.

Ein, zwei Titel von Nonetheless haben das Potenzial, solche zu werden. Doch das ist längst egal. Die Pet Shop Boys spielen in ihrer eigenen Liga, der zart nasale Vortrag Tennants verleiht jedem Song eine besondere Note, man erkennt sie sofort. Man hält es aus, wenn da einmal einer nicht Gold ist, sondern bloß glänzt. (Karl Fluch, 25.4.2024)