Tiktok soll verkauft werden, oder die Plattform wird in den USA verboten.
AFP/OLIVIER DOULIERY

US-Präsident Joe Biden inszeniert sich auf Social Media gerne als sein Alter Ego namens Dark Brandon. Dabei handelt es sich um ein stark bearbeitetes Porträtfoto von ihm, in dem er rote Laserstrahlen aus seinen Augen schießt. Immer, wenn das Wahlkampfteam meint, Biden hätte gerade einen Punkt gegen Trump gemacht, erscheint Dark Brandon mit seinen Laseraugen, neuerdings bevorzugt auf Tiktok. Der US-Präsident wird mit seiner Unterschrift Tiktok nun verbieten und Dark Brandon seine Plattform wegnehmen.

Theoretisch könnte Konzernmutter Bytedance das Tiktok-Geschäft in den USA auch verkaufen, aber in Peking lässt man es wohl auf ein Verbot ankommen. Das heißt nicht, dass Tiktok übermorgen in den USA nicht mehr läuft, sondern vorerst nur, dass Tiktok nicht mehr in den üblichen App Stores angeboten werden darf. Technisch einigermaßen versierte Nutzerinnen und Nutzer werden schnell einen Weg finden, um so ein Verbot zu umgehen. Außerdem wird Tiktok alles unternehmen, um die dafür nötigen Schritte möglichst simpel erklärt unter die Leute zu bringen. Das ist nicht das Problem.

Mehr als singen, klatschen, tanzen

Das wahre Problem ist, dass hier Millionen von meist jungen Menschen eine Plattform weggenommen wird, die für sie Unterhaltungsmedium und Nachrichtenportal ist. Wer Tiktok immer noch für eine Plattform hält, deren Inhalt aus Singen, Klatschen und Tanzen besteht, verkennt die wahre Bedeutung der knackig kurzen Videos.

Mehr als die Hälfte der US-Amerikaner loggt sich regelmäßig auf Tiktok ein. Creator erstellen Nachrichtensendungen und erreichen damit das junge, digitale Publikum, neudeutsch Gen Z genannt. Während traditionelle Medien um ihren Einfluss und Reichweiten kämpfen, werden Tiktoker vom Weißen Haus als Journalisten anerkannt und nehmen an Pressekonferenzen teil.

7000 Menschen beschäftigt Tiktok allein in den USA. Diese müssen, sich wohl bald einen neuen Job suchen, weil man im Land of the Free neuerdings Medien verbietet, weil der US-Politik der Inhaber nicht gefällt.

Bei aller Kritik an dem Gesetz muss man aber auch dazu sagen, dass Tiktok wirklich alles in seiner Macht Stehende getan hat, um möglichst rasch verboten zu werden. Als das Repräsentantenhaus im März über ein Verbot der Video-App diskutiert wurde, forderte Bytedance die Nutzerinnen und Nutzer auf, ihre Abgeordneten anzurufen und diese aufzufordern, gegen ein Verbot zu stimmen. Praktischerweise reichte dazu ein Druck auf einen extra in der App installierten Button aus.

Die Büros der Politiker wurden durch einen Tsunami an Anrufen lahmgelegt, bis oft nur der Ausweg blieb, die Telefone abzuschalten. Dies wurde von Demokraten wie Republikanern als chinesische Einmischung in die US-Politik, Wählermanipulation und Einschüchterungsversuch gewertet, wohl nicht zu Unrecht.

Tiktok hätte es besser wissen müssen. Schon im Vorjahr machte Tiktok-CEO Shou Zi Chew mit einem Kurzvideo Stimmung gegen die Pläne des US-Kongresses. Schon damals wurde Chew versuchte Manipulation der US-Innenpolitik vorgeworfen.

Die US-Höchstrichter werden nun abwägen müssen, ob die Gefährdung der nationalen Sicherheit die Einschränkung der Redefreiheit durch einen Tiktok-Bann rechtfertigt. Die Argumente dafür hat Tiktok selbst geliefert und ist ins offene Messer gesprungen. Mit Salto und Pirouette. (Peter Zellinger, 24.4.2024)