No Rest for the Whicked
Die Story ist in bewegten Bildern und einem sehr eigenen Stil erzählt.
Moon Studios

Die sperrigen, perfektionistischen und gern mal aneckenden Personen gibt es nicht nur im Filmbusiness, in der Politik oder im Journalismus. Nein, auch die Games-Branche verfügt über so manch kreativen Kopf, der mit diesem gern einmal gegen und durch die Wand läuft. Einer davon sitzt in Österreich, genauer gesagt in Wien. Sein Name: Thomas Mahler. In der Szene hat er sich mit den beiden Teilen der Action-Platformer-Serie Ori einen respektierten Namen gemacht, und seit rund neun Jahren sitzt er an einem anderen Projekt, das in dieser Woche zumindest für PC erschienen ist.

Mit No Rest for the Wicked, so der nicht ganz eingängige Titel von Mahlers neuem Projekt, will dieser "das Action-Rollenspiel-Genre revolutionieren", wie er in den letzten Jahren in Interviews immer wieder wissen ließ. Ihm sei Diablo zu langweilig geworden, und auch die schwierigen Souls-Spiele hätten Schwächen. Sein Spiel würde vieles besser machen und aus einer Mischung ganz unterschiedlicher Ideen ein Erlebnis machen, das es so noch nicht gab.

DER STANDARD hat deshalb mit mehreren Augen und Händen das neue Projekt angespielt und liefert einen ersten Eindruck zur angeblichen Revolution.

Viel rein und auch viel drin?

Was die Geschichte angeht, wird das Rad nicht neu erfunden. Unser selbsterstellter Charakter erleidet Schiffbruch und findet sich an einer unbekannten Küste wieder. Dort warten erste Feinde, die mit einfachen Schwerthieben ausgeschaltet werden. "Einfach" ist dabei allerdings nicht das richtige Wort, denn ein knapp bemessener Ausdauerbalken verhindert, dass man ungestraft mehrfach auf die Tasten hauen kann. Schlägt man nur wenige Male zu, ist dieser nämlich leer und lässt unseren Aktionsradius auf einen Bierdeckel schrumpfen – auf den eines zerknüllten.

Diese Ausdauer und die recht schnell zäher werdenden Gegner inklusive Bossgegnern mit hohem Frustpotenzial erinnern stark an diverse Spiele von From Software (Dark Souls) oder Team Ninja (Nioh). Schon nach wenigen Treffern streckt man auch in No Rest for the Wicked die zunächst noch schlecht ausgestatteten Latschen. Das Suchen nach besseren Waffen und Kisten, in denen bei jedem Vorbeikommen immer etwas anderes zu finden ist, lehnt sich inhaltlich dann wieder eher bei Spielen wie Diablo an. Von neueren Zelda-Spielen leiht man sich hingegen das Klettersystem beziehungsweise diverse Sprung- und Geschicklichkeitspassagen.

Ach ja, und dann ist da noch das Sammeln von Rohstoffen und die Möglichkeit, mit diesen neue Wege freizuschalten, bessere Ausrüstung herstellen zu können oder auch Einrichtung für die eigene Bleibe zu gestalten. So hackt man jeden Baum auf dem Weg um, gräbt an bestimmten Stellen nach Schätzen und drischt Erzklumpen und andere Rohstoffe aus hartem Stein. Daneben gilt es noch zahlreiche Kräuter und Essbares zu sammeln, um an Feuerstellen ein schickes Mahl zuzubereiten, das dem Helden oder der Heldin wieder zu alter Stärke verhilft. Das ist zunächst alles interessant, weil neu zu entdecken, könnte allerdings im späteren Verlauf des Spiels möglicherweise lästig werden. Jeder Baum am Weg muss gefällt und jedes Erz abgebaut werden, um sich Upgrades kaufen zu können. Die Sorge, dieses System könnte gerade auf höheren Stufen mehr Arbeit als Spaß sein, liegt im Bereich des Möglichen.

Was in jedem Fall schnell klar wird, ist das knapp bemessene Inventar. Dieses kann man zwar mäßig schnell erweitern, in Wirklichkeit jongliert man allerdings ständig zwischen den gefundenen Sachen, ob man sie wirklich mitnehmen kann oder doch den mühsamen Weg zurück in die Stadt nimmt, um diese zwischenzulagern. Hier könnte man, sollte man dieses Thema auf Entwickler-Seite angreifen wollen, die verfügbaren Taschen von Beginn an etwas größer gestalten. So wirkt es aktuell wie eine Hürde.

No Rest for the Whicked
Die Ausrüstung will gut gewählt sein. Viele besondere Gegenstände bringen auch Nachteile mit sich.
Moon Studios
No Rest for the Whicked
In der Stadt kann man sich ausruhen und mit Rohstoffen Verbesserungen von Gebäuden oder neue Gebiete freischalten.
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Zu viel?

Klassen wie Magier oder Paladin gibt es nicht. Der eigene Spielstil und das Verteilen von Punkten auf diverse Attribute wie Stärke oder Ausdauer bestimmen vielmehr den Weg des Möglichen. So kann man Sensen, Schwerter, Bögen und andere Waffen sowie Rüstungen nur dann tragen, wenn man bestimmte Werte aufweist, beziehungsweise diese Waffen aufwerten oder sie verzaubern. Dann lässt sich das Angriffswerkzeug beispielsweise entflammen, oder man löst einen Heilspruch aus. Sogar Feuerbälle kann man mit bestimmten Verzauberungen auslösen. So spielen sich die Angriffswaffen mit all ihren Erweiterungsmöglichkeiten sehr unterschiedlich.

Was das Spiel in jedem Fall kann, ist, neugierig zu machen. Immer wieder verstecken sich in den handgemachten Abschnitten der großen Welt Abzweigungen, die meist zu mehr Gegnern, aber auch mehr Schätzen führen. Da kann auch über Holzbalken balanciert werden, man wagt es, kurz durch einen Fluss zu schwimmen oder eine verrankte Steinwand entlangzuklettern. Dabei spielt die Kamera, die man selbst nicht bewegen darf, immer wieder einen Streich. Selten aber doch kommt es vor, dass man den Hals verrenkt, um zu sehen, was hinter der nächsten Ecke ist. Auch Gegner, die vor sich hin stapfen und die man gut mit einer Schleichtattacke erledigen könnte, sind gelegentlich hinter einer Wand verborgen und so sieht man nicht, in welche Richtung sie gerade schauen.

Übersicht ist hingegen in der großen Stadt des Spiels, Sacrament, gegeben. Dort spricht man mit Händlern, kauf und verkauft, nimmt klassische "Quests" an und erfährt mehr über die relevanten Personen. Die erzählte Handlung ist aber mit Sicherheit nicht das Prunkstück, ist sie laut Entwicklern doch nur rund 20 Stunden lang. Vielen wird das vielleicht schon reichen, doch entlässt einen "No Rest for the Wicked" nach erfolgreichem Durchgang – ähnlich wie Diablo – noch einmal in die Welt, um sich an beispielsweise fordernden Wochenaufgaben die Zähne auszubeißen, die eigene Hütte noch schicker zu gestalten oder bisher unbesiegte Gegner zu jagen.

No Rest for the Whicked
Die Lichtstimmung im Spiel ist grandios. Wer HDR aktivieren kann, sollte das tun.
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Noch nicht fertig

Man merkt vielleicht beim Lesen, dass wirklich versucht wurde, schon jetzt viel in das Spiel zu packen. Vieles fehlt noch, auch weil man sich seit 18. März lediglich in der Early Access Phase des Spiels befindet. Darunter versteht man, dass das Spiel auch neun Jahre nach dem ersten Prototyp und rund sechs Jahren in der Entwicklung noch immer nicht fertig ist. Vielmehr wollten die Entwickler mit der aktuellen Version eine Basis vorstellen, die ab jetzt mithilfe von Spielerinnen und Spielern nachjustiert und erweitert werden soll.

Als Nächstes soll ein Multiplayer-Modus eingeführt werden. Hier kann man sich mit Freunden einen "Realm" teilen und dann gemeinsam Rohstoffe sammeln und Gegner verdreschen. Allen beteiligten Spielerinnen und Spielern gehört dieser "Realm" gleichermaßen, das heißt, man kann jederzeit ein- und auch wieder aussteigen.

Was schon sehr fertig wirkt, ist die Optik des Spiels. Auch wenn so manch grafische Elemente noch wie Platzhalter wirken, sieht das Spiel insgesamt schon unglaublich hübsch und "polished" aus, wie man im Fachjargon sagt. Licht- und Schatteneffekte verzaubern ähnlich wie in den Ori-Spielen, der einsetzende Sturm inklusive Regenguss lässt einen am Joypad mit dem eigenen Helden mitfrieren. Die Figuren haben einen ganz eigenen Stil, die raren Zwischensequenzen sowie die Dialoge mit den zahlreichen Nebenfiguren im Spiel sind professionell vertont.

Was bei vielen Spielern wohl aufkommen wird ist ein gewisser Grat an Frust, schon allein wegen der fordernden Kämpfe und der speziell zu Beginn sehr kurzen Ausdauerleiste. Speziell die Bosse, so schick sie designt sind, werden viele Spieler fluchen lassen, vielleicht auch über die gewählte Perspektive, die sich immer wieder als Nachteil erweist.

Dafür ist das Speichern bei den dafür vorgesehenen Punkten kein kompletter Neustart der Welt, wie etwa bei Soulslike-Spielen generell üblich ist, der sämtliche Gegner neu auf der Karte erscheinen lässt. Dafür wird aber auch eure Energieleiste nicht aufgefrischt oder ein neuer Schwung Heitränke in die eigene Tasche gespült. Auch das könnte noch ein Punkt auf der Todo-Liste der Entwickler sein, die schon in den ersten Tagen zahlreiche Updates abgeliefert haben.

No Rest for the Wicked ist für rund 40 Euro auf Steam als Early Access erhältlich.

(Alexander Amon, 25.4.2024)

No Rest for the Wicked – Offizieller Early-Access-Launch-Trailer
Private Division Deutsch

Eindruck Alex

Nachdem ich zuletzt kaum ein Videospiel wirklich spannend fand, hat mich "No Rest for the Wicked" ab der ersten Ankündigung interessiert und nach dem ersten Anspielen tatsächlich verzaubert. Auch wenn mich der Art-Style der Figuren nur wenig anspricht, mich die Perspektive immer wieder in den Wahnsinn getrieben hat und diverse Gemeinheiten (kleines Inventar, kein einfaches springen zwischen den freigeschalteten Wegpunkten) war ich nach kurzer Zeit völlig versunken im Spiel. Die Mischung aus den verschiedensten Genres, das fordernde Gameplay mit seinen vielen Möglichkeiten und die versprochene Lieferung von neuen Modi, darunter Multiplayer, machen das Game für mich schon in dieser frühen Phase zu einem Highlight des Jahres.

Es ist einfach immer etwas zu tun, auch wenn man vielleicht nur eine knappe Stunde Zeit für das Spiel hat. Auch das Belohnen von konsequentem Absuchen der Welt wurde wunderbar umgesetzt und ähnlich wie in "Elden Ring" kann ich unmöglich scheinenden Widersachern zumeist einmal aus dem Weg gehen, ein wenig leveln und später gestärkt zurückkehren.

Immer wieder diskutiert man in den verschiedensten Branchen, ob man Werk und Künstler trennen darf. In meinem Fall muss ich das gar nicht, denn auch wenn ich nicht mit allem d'accord gehe, wie Herr Mahler die Welt sieht, was Videospiele betrifft hat der Mann aus Wien sehr klare Vorstellungen und offenbar ein unglaubliches Talent diese umzusetzen. Das respektiere ich und verneige mich vor einem Projekt, das dieses Jahr sicher noch für spannende Erweiterungen sorgen wird, bis es wohl im kommenden Jahr auch für Konsolen umgesetzt wird. Ich bleibe auf jeden Fall dran.

Eindruck Benjamin

Ist das Spiel schwer? Check. Hat das Spiel einen kreisrunden Ausdauerbalken und Klettereinlagen? Check. Na dann kann es ja nur ein Soulslike-Zelda sein! Natürlich kann ich den Versuch vieler Kolleginnen und Kollegen nachvollziehen, das Spiel mit dem wohl sperrigsten Titel des Jahres für ihre Leserschaft einzuordnen. Ähnlich schwer, wie "No Rest for the Wicked" von der Zunge geht, tut mir aber auch dieser Vergleich weh, weil sich das Spiel so frisch anfühlt, dass es in beiden Fällen weitaus Besseres verdient hätte.

Gut, das Artdesign der Charaktere entspricht überhaupt nicht meinem Geschmack und das Action-Abenteuer ist eigentlich auch noch gar nicht fertig – und doch hat mich "No Rest for the Wicked" sofort in seinen Bann ziehen können. Kämpfe auf Messers Schneide in einer düsteren Märchen-Atmosphäre sind für mich dabei nur ein Teil des Spaßes – am meisten fasziniert das Talent des Spiels, meinen Erkundungsdrang maximal zu triggern. Nicht zuletzt deshalb wird es mich garantiert noch oft in die gelungene Spielwelt der Isola Sacra ziehen.

Eindruck Peter

Mein erster Gedanke nach der Premiere des Kampfsystems von "No Rest for the Wicked": Wow, was für eine Wucht. Insofern ist es ganz gut, dass die Zahl der kämpferischen Auseinandersetzungen bewusst heruntergeschraubt wurde und hier nicht Gegner zu tausenden über mein Schwert springen.

Mein alterndes Kreislaufsystem käme mit der Adrenalinausschüttung wohl nicht mehr ganz klar. Die Zeit dazwischen vermag das Spiel mit lohnenswerter Erkundung zu füllen. Langweilig wird einem hier bestimmt nicht. Die Pumpe kommt aber leider auch nicht mit der unflexiblen Kamera und Schwächen in der Steuerung zurecht. Zu oft ließ mich eine fehlgeleitete Ausweichrolle über die Kante eines Abgrunds purzeln und der gnadenlose Fallschaden tat sein übriges. Gleichzeitig verhindert die starre Perspektive, das ich Gegner früh erkenne und laufe deshalb immer wieder in Hinterhalte oder werde von ihnen in eine Ecke getrieben, wo ich dann mit der Ausweichrolle über die Klippe... Sie wissen schon. Diese Form der Adrenalinausschüttung ist ganz schlecht für das Gamerherz, weshalb meine letzte Session mit einem fulminanten Alt+F4 Ragequit endete. Wenn die neuen Medikamente (oder ein, zwei Patches) da sind, werde ich mich wieder in die Schlacht stürzen.