Die Stadt wird heiß. Die Wiener Stadträtin für Innovation, Stadtplanung und Mobilität hat ein Programm dagegen. Es lässt sich knapp in der Formel "neue Bäume, Sitzbänke, Gräserbeete und Wasserspiele" zusammenfassen. Damit überzieht Ulli Sima eine große Zahl von hässlichen, heißen, unfreundlichen Stadtgegenden.

Vorher-nachher-Bilder wie hier vom Michaelerplatz sollen Verbesserungen veranschaulichen.
Regine Hendrich

Einige sind schon (fast) fertig, andere erst im Entstehen. Das sieht im Grunde immer gleich aus – es werden neue Bäume gepflanzt (in der Mehrzahl sogenannte XL-Bäume, die, schon etwas größer, nicht mehr so lange brauchen, bis sie Schatten spenden). Dazu sogenannte Gräserbeete mit hohen, widerstandsfähigen Gräsern und Blumen und "Wasserspiele" – Brunnen oder auch "Nebelsäulen", aus denen im Sommer Wasserdampf dringt. Und Sitzbänke. An vielen Stellen der Stadt müssen dafür Autos weg.

Die Mitarbeiter von Sima haben jede Menge "Vorher-nachher"-Bilder zur Hand: vorher eine vollgeparkte Straße, nachher eine entspannte Zone mit Sitzgelegenheiten unter Bäumen für glückliche Menschen.

Das zieht sich von einem Verkehrs-Hotspot wie dem Praterstern über Bobohausen-Locations wie die Zollergasse oder die Bernardgasse in Wien 7 bis zu migrantisch dominierten Einkaufsstraßen in Ottakring (Thaliastraße) oder Favoriten. Ein Sonderfall ist der zentrale Michaelerplatz in 1010 Wien. Auch hier sollen Bäume, Beete und ein Wasserspiel die nackte Architektur von Hofburg, Gründerzeitbauten, Looshaus und der ursprünglich romanischen, dann barock überbauten Michaelerkirche begrünen.

Es gibt aber Probleme. Zum einen geht das auf eine Initiative eines Wiener Innenstadtanwalts zurück, der im Auftrag der privaten Geschäftsleute schon eine Umgestaltung der Herrengasse initiiert hat.

"Greenwashing"

Zum anderen wendet eine Initiative von mehr als 100 sehr namhaften österreichischen und internationalen Architektinnen und Architekten sowie Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern (SOS Michaelerplatz) ein, dass es sich hier um "Greenwashing" handle und die geplanten Bäume die "historische Wirkung" des Platzes zerstören würden. Der Kunsthistoriker Andreas Nierhaus fügt noch hinzu: "Was nach wie vor fehlt, ist die größere Perspektive: Wo gibt es in der Stadt Orte, an denen eine massive Begrünung und Entsiegelung möglich ist, und wo nicht? Ein solches Konzept fehlt. Die Bäume auf dem Michaelerplatz streuen Sand in die Augen jener, die sich zu Recht eine stärker begrünte Stadt wünschen. Wie wäre es damit, den Heldenplatz zu entsiegeln?"

Unterwegs mit Ulli Sima: Am Praterstern, ...
Regine Hendrich

Stadträtin Sima weist vor Ort darauf hin, dass die neun Blauglockenbäume ohnehin sparsam eingesetzt am Rande des Platzes stünden, der Großteil der Fiaker samt Pferden in die Schauflergasse verpflanzt würde und der Denkmalschutz eingebunden sei. Auf die rhetorische Frage der Architektenvereinigung "Steht eine Verwaldung der Städte bevor?", antwortet sie sehr bestimmt: "Du kannst 2024 nichts mehr ohne Grün machen."

Das von Simas Öffentlichkeitsarbeit gerne verwendete Stichwort ist "klimafit". Sie selbst sagt: "Wien ist eine jener europäischen Hauptstädte, die vom Klimawandel sehr betroffen sind. Wir machen die zentralen Achsen, die Bezirke machen kleinteilige Maßnahmen, die aber insgesamt eine Verbesserung bringen. Wir wollen eine Transformation in der ganzen Stadt."

Nachträgliche Milderung

Das ist das implizite Eingeständnis, dass es um nachträgliche Milderung, nicht um einen großen Zukunftsmasterplan für die Stadt im Klimawandel geht. Wobei das Klimabewusstsein noch eher jüngeren Datums ist: Das Stadterweiterungsgebiet Seestadt Aspern wurde noch so geplant und gebaut, dass Sima nachträglich versiegelte Flächen aufbrechen und Bäume einpflanzen musste.

Wie sieht das Programm "klimafit" in der Realität aus? An der unteren Thaliastraße, wo sich Dönerladen an Handyshop an Altwarengeschäft reiht und die Dichte an vollverschleierten Frauen groß ist, wurde der Gehsteig verbreitert und in kurzen Abständen Bäume („Schnurbäume“) gepflanzt und Gräserbeete eingerichtet. Dazu neue Sitzgelegenheiten und zunächst rätselhafte weiße Pfosten, die sich als "Nebelduschen" herausstellen. Daneben rauscht der Verkehr.

... in der Thaliastraße (links) und in der Zollergasse (rechts).
Regine Hendrich

An einem Wochentag am frühen Nachmittag mit Temperaturen um die 24 Grad werden die Erholungsoasen ganz gut angenommen. Nicht nur Pensionisten und junge Mütter, auch Menschen im Arbeitsprozess ruhen hier aus. Die Baum/Gräserbeete/Wasserspiele-Linie soll auf die ganze lange Thaliastraße ausgedehnt werden. An einem heißen Sommernachmittag, wenn die Sonne von Westen hereinbrennt, kann das schon etwas bringen.

Die Bäume werden übrigens unterirdisch durch ein eigenes System bewässert. So viele Gärtner hat das Stadtgartenamt nicht, um da täglich zu gießen.

Szenenwechsel in den siebenten Wiener Gemeindebezirk. Die Bernardgasse ist teils ein geschlossenes Biedermeierensemble, teils (gegen den Gürtel hin) die übliche Gründerzeitmischung (mit einem kleinen Art-déco-Juwel, einem Gemeindebau aus dem Jahr 1925). Auch hier mittelgroße neue Bäume, Gräserbeete. Ähnlich in der Zollergasse, einem relativ kurzen Straßenzug nahe der Mariahilfer Straße mit jeder Menge gut besetzter Straßenlokale. Ehemals ein einziger Parkplatz.

Alkohol- und Waffenverbot

Wieder etwas anders ist der Hotspot Praterstern. Von Verkehr umtost, aber die begrünte Fläche wurde ausgeweitet, doppelt so viele Bäume wie vorher.

Alkohol- und Waffenverbot und die Platzierung der Polizeiwache sorgen für die notwendige Ruhe, um unter den Bäumen oder im Café Engländer ausruhen zu können. Es ist immer noch kein Paradiesgarten, aber die Veränderung zu früher ist merkbar. So soll es noch an vielen Ecken und Enden der Stadt werden: Die 1,3 Kilometer lange Fußgängerzone in der Favoritenstraße, die "Hitzeinsel Naschmarkt-Parkplatz", die "Geisterausfahrt Simmering" wird "Tangentenpark an der Ostbahn", an der Universitätsstraße wird bereits gearbeitet, aus dem Christian-Broda-Platz (vor dem Westbahnhof) wird ein "Blätterparadies", die Wiedner Hauptstraße bekommt einen Zwei-Richtungs-Radweg, aus der Argentinierstraße wird eine Fahrradstraße nach niederländischem Vorbild, Floridsdorf bekommt "eine eigene Radweg-Offensive" (und so weiter im O-Ton des Stadträtin-Büros).

"Es ist ein Versuch des Ausgleichs", sagt Ulli Sima beim Rundgang durch die bereits fertiggestellten Grünzonen. Wobei die wirklichen Bratpfannen der Stadtarchitektur wie die Fläche vor dem Hauptbahnhof erst angegangen werden müssen. Und noch eines: Beim Stadtspaziergang zeigt sich etwas, das man bisher eher am Rande wahrnahm, aber beim bewussten Schauen ins Auge springt - das aggressive Gekrakel der Graffiti überwuchert, stilistisch ziemlich einfallslos, inzwischen nicht nur hässliche Betonwände, sondern auch innerstädtische Biedermeier-, Barock- und Jugendstilarchitektur. Aber dafür ist Ulli Sima nicht zuständig. (Hans Rauscher, 3.5.2024)