Die preisgekrönte Cellistin Julia Hagen hat Vorarlberger Wurzeln.
Die preisgekrönte Cellistin Julia Hagen hat Vorarlberger Wurzeln.
Heribert Corn

Da hat sie sich selbst ein großes Geschenk gemacht, letztes Jahr, kurz vor Weihnachten: Sie sei sprachlos, ließ die Cellistin Julia Hagen auf ihrem Instagram-Account wissen, als sie im Musikverein mit dem Credit Suisse Young Artist Award 2024 ausgezeichnet wurde. Neben dem Preisgeld von 75.000 Schweizer Franken wurde die Endzwanzigerin auch mit einem Auftritt beim Lucerne Festival belohnt. In Jean Nouvels markantem Bau am Vierwaldstättersee wird Hagen mit den Wiener Philharmonikern und Christian Thielemann im September Schumanns Cellokonzert interpretieren.

Wie ein Wildfang

Ein Art Generalprobe dafür fand am Donnerstagabend im Goldenen Saal statt: Julia Hagen – ja, sie ist ein Spross der Quartettdynastie mit Vorarlberger Wurzeln – spielte das anspruchsvolle "Konzertstück" (Schumann) mit dem Orchestre Philharmonique de Radio France unter der Leitung von Mirga Gražinytė-Tyla. Dort konnte man nachvollziehen, was die Wettbewerbsjury für Hagen eingenommen hatte: Das Covermodel des aktuellen Musikfreunde-Magazins präsentierte sich als Wildfang, der mit sinnlicher Lebendigkeit und dynamischer Explosivität in Bann zog. Auf Wut und Widerborstigkeit folgten in blitzschnellen Stimmungswechseln Charmeoffensiven und Zärtlichkeiten, alles in technischer Perfektion. (Zugabe: Sofia Gubaidulinas Cello-Präludium Nr. 1).

Mirga Gražinytė-Tyla dirigierte Orchestre Philharmonique de Radio France.
Mirga Gražinytė-Tyla dirigierte das Orchestre Philharmonique de Radio France.
Hannah Fathers

Nach der Pause fegten die Pariser mit höchster Präzision durch Schumanns zweite Symphonie, schon der Kopfsatz (eigentlich: Allegro ma non troppo) hatte furiosen Finalcharakter. Bemerkenswert, zu welchen Leistungen Gražinytė-Tyla die von ihr gecoachten Klangkörper motiviert, die Litauerin schätzt sowohl derwischhaften Furor als auch diätschlanke Transparenz. Verzichtbar die Vorspeise des Konzertmahls, die ungelenke symphonische Dichtung Miške (Im Walde) ihres Landsmanns Mikalojus Konstantinas Čiurlionis. À bientôt! (Stefan Ender, 3.5.2024)